Bauernkrieg ohne Bauern? Zur Performanz gedruckter Worte und Bilder
Öffentlicher Abendvortrag von Professor Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Thomas Kaufmann (Georg-August-Universität Göttingen)
Der „Bauernkrieg“ gilt als ein zentrales Ereignis der deutschen Geschichte. Angesichts vieler vergessener Kriege und der im Vergleich mit den Verhältnissen des 19. und 20. Jahrhunderts recht gering scheinenden Zahl seiner Opfer, ca. 100.000 Bauern, ist das Interesse an diesem Krieg nicht ohne weiteres verständlich. Es gründet in der kontroversen Deutung, die ihm vor allem infolge von Friedrich Engels Studie „Der deutsche Bauernkrieg“ (1. Aufl. 1850; 2. Aufl. 1870) zuteilgeworden ist. Engels interpretierte den Bauernkrieg als Revolution, bei der Bauern und städtische Unterschichten kooperierten und die feudale Ordnung fundamental attackierten. Als Führer der Bauern galt ihm der Theologe Müntzer. Luther repräsentierte hingegen ein frühes Bürgertum, das sich mit dem Adel gegen die Bauern verbündet habe. Dieses Narrativ und seine Bestreitung dominierten auch noch die Deutungen, die zwischen den Historikern der beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1989 kontrovers waren. Insofern ist die Deutung des Bauernkriegs Teil einer gespaltenen deutsch-deutschen Erinnerungskultur.
Thomas Kaufmann studierte evangelische Theologie in Münster, Tübingen und Göttingen. Seit 2000 hat er den Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen übernommen und ist seit 2016 Abt von Bursfelde. 2020 wurde ihm der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG verliehen. Seine Forschungsinteressen umfassen Kirchen-, Theologie- und Christentumsgeschichte in Reformation und Früher Neuzeit.
Begrüßung: Professorin Dr. Ulla Bonas
Moderation: Professor Dr. Heinrich Assel