»Nacht der erschossenen Dichter« Belarus 1937 - Wir erinnern an die Opfer des stalinistischen Terrors
Zu Gast sind die Übersetzerin u. Kulturvermittlerin Iryna Herasimovich (zurzeit in Zürich) und der belarussische Autor, Verleger Zmicier Vishniou (zurzeit in Berlin). Das Gespräch wird ins Deutsche übersetzt.
In der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1937 wurden vom NKWD im Zuge der stalinistischen Repressionen über einhundert Menschen in Minsk erschossen, darunter viele Dichter und Schriftsteller. Für diese Tragödie steht in Belarus der Name eines Waldstücks in der Nähe von Minsk – Kurapaty, wo die Ermordeten begraben wurden, was bis zur Wendezeit unbekannt blieb.
Der Terror in Verbindung mit dem Verschweigen war wohl das wichtigste Zeichen der stalinistischen Repressionen und hat gravierende Folgen bis in die Gegenwart.
Die Verbrechen wurden nach der Wende zwar bekannt, aber nie tiefgehend in der Gesellschaft aufgearbeitet. Auch für die ermordeten Dichter zeigten nur die wenigsten Forscher wie etwa Viktar Zhybul Interesse.
Nach der niedergeschlagenen Revolution in Belarus im Jahr 2020 ist das Gedenken in Kurapaty nicht mehr möglich, zu sehr speisen sich die heutigen Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und speziell gegen die Kulturszene in Belarus aus der sowjetischen Vergangenheit.
Das Koeppenhaus wird mit dieser Veranstaltung zum Gedenkort an die belarussische Tragödie. Zusammen mit dem Verleger und Dichter Zmicier Vischniou und der Übersetzerin und Kulturvermittlerin Iryna Herasimovich gehen wir den Fragen nach, wie die Literaturgeschichte angesichts einer solchen Tragödie geschrieben wird, wie der Kanon entsteht, welche Schriftsteller bereits Verbreitung fanden wie Moyshe Kulbak oder Michasj Sarezki, welche erst vor Kurzem wieder entdeckt wurden, wie Jurka Liavonny oder Ales Harodnya, dessen Bücher Zmicier Vischniou kurz vor der Liquidierung seines Verlags durch die belarussischen Behörden herausgegeben hat, und welche Namen immer noch auf die Wiederentdeckung warten.
Und wohl die dringendste Frage: Wie kann das Weiterbestehen der Erinnerungskultur und die Wiederentdeckung der erschossenen Dichter in den Zeiten gelingen, in denen die unabhängige belarussische Kultur ums nackte Überleben kämpft.
Eintritt Spende