Nachdenkliches für den Tag

"Wenn der Tag für ihn noch mit Stolz beginnen mag,
Sieht man ihn am Ende des Tages darniederliegen.
Niemand sollte zu sehr dem Sieg vertrauen,
Niemand zu sehr hoffen, dass die Prüfungen leichter werden.
Klotho vermischt das eine mit dem anderen und hält
Fortuna ab, sich auszuruhen, die jedes Schicksal sich im Kreise
drehen lässt.
Niemand steht so in göttlicher Gunst
Dass der nächste Tag für ihn garantiert sein könnte.
Gott lässt unser Leben weiterrasen,
sich drehen inmitten eines Wirbelwinds."
Seneca, Thyestes, 613

FAZIT: 'Jemand anderes spinnt den Faden'
... Klotho war eine der griechischen Göttinnen des Schicksals, die die Fäden des menschlichen Lebens spinnt. Für die Menschen der Antike war sie es, die den Verlauf der Ereignisse in unserem Leben bestimmte - sowohl gute wie auch schlechte. Wie der Dichter Aischylos schrieb: 'Wenn die Götter einem Böses schicken, gibt es kein Entkommen.' Dasselbe gilt für den Fall von günstigem Schicksal und großem Glück.
Diese schicksalsergebene Betrachtungsweise mag uns heutzutage seltsam erscheinen, aber die Menschen damals wussten, wer wirklich die Macht hatte (nicht sie, nicht wir)! kein noch so großer Wohlstand, keine noch so großen Widrigkeiten bleiben mit Sicherheit auf ewig bestehen. Ein Sieg kann zum Drangsal werden, eine Drangsal zum Sieg verhelfen. Das Leben kann sich in jedem Augenblick verändern. Denke heute mal darüber nach, wie oft das passiert.

Aus: Ryan Holiday & Stephen Hanselman: Der tägliche Stoiker. 366 Nachdenkliche Betrachtungen über Weisheit, Beharrlichkeit und Lebensstil. Finanzbuchverlag, 2017.