04.03.2021 | 06:00 Universität Online/ on Air/ on TV

1700 Jahre in 90 Sekunden: Die Verrücktenmütze

Zum Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" präsentiert die Dalman-Sammlung virtuell wird jeden Monat ein besonderes Artefakt.

2017 schaffte es diese Kopfbedeckung in eine Modeausstellung des New Yorker Museum of Modern Art (MoMa), irgendwo zwischen dem kleinen Schwarzen von Chanel und der goldenen Rolex-Uhr. In den 1960er und 1970er Jahren galt die Stoffkappe als Erkennungsmerkmal für Neu-Israelis. Ihr Name, Kova Tembel, lässt sich wohl frei mit "Verrücktenmütze" übersetzen. Die Herkunft der Kappe mit der breiten Krempe, klassischerweise genäht aus fünf Stoffstreifen, ist umstritten. Vielleicht wurde dafür eine türkische Tradition aufgegriffen und in den 1930er Jahren im britischen Mandatsgebiet Palästina massenhaft produziert. Hier wurde sie rasch populär bei Landarbeitern und Militärs, denn sie war ebenso preisgünstig wie unempfindlich. Dass die Kappe ihre Träger nicht wirklich vorteilhaft kleidet, machte sie später zum Gegenstand vieler Scherze und Karikaturen – bis die "Verrücktenmütze" in den 1980er Jahren langsam aus dem Alltagsleben verschwand.

Das hier gezeigte Mädchen mit der vielsagenden Mütze stammt von einem Kleinbilddia der DDR-Zeit, das heute im Greifswalder Dalman-Institut verwahrt wird. So freundlich strahlt die junge Israelin in die Kamera, dass selbst ihre Zahnspange aufblitzt. Ihre wilden Locken und die zerknitterte Hemdbluse sprechen für eine unbändige Lebenslust. Die Vorlage für diese Fotografie findet sich im schwedischen Kinderbuch "Helgas Reise", das in den 1960er Jahren auch in einer deutschen Übersetzung erhältlich war. Darin fliegt das Mädchen Helga nach Israel, um dort die historischen Stätten zu besuchen. Im Buch wird wiederholt ihre Begegnung mit Kindern abgebildet – vom Beduinenjungen in der Wüste bis zur Mädchenclique in Akko. Diese ebenso charmante wie klischeebeladene Fotogeschichte gelangte wohl mit dem Nachlass eines Greifswalder Pfarrers in die Dalman-Sammlung. Er mag damit in den 1960er Jahren diverse Jugendgruppen mit Diaabenden beglückt und ihr Bild von Israel geprägt haben.

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