Der Wortschatz einer Sprache als Spiegel der Geschichte, Vortrag mit Prof. Dr. Marko Pantermöller

Die erste in einer ostseefinnischen Sprache verfasste Inschrift ist eine Zauberformel. Sie richtet sich gegen Gewitter oder Krankheit und steht auf einem Stück Birkenrinde. Das Schriftzeugnis stammt aus dem 13. Jahrhundert. Jedoch auch ohne Aufzeichnungen ist es möglich, Kulturkontakte festzustellen und sogar grob zu datieren - mithilfe der Sprachforschung.
Jede Art von kulturellem Austausch hinterlässt Spuren im Wortschatz einer Sprache. Mit linguistischen Methoden wird versucht, jahrhundertealte Fragen zu beantworten: Wo sind die ursprünglichen Siedlungsgebiete finnischsprachiger Völker, deren Sprache keinerlei sprachgenetische Verwandtschaft zu den in Europa gesprochenen indoeuropäischen Sprachen aufweisen?

Der Vortrag von Prof. Dr. Marko Pantermöller arbeitet mit vielen anschaulichen Beispielen aus der aktuellen Wortgeschichtsforschung. Er zeigt, wie sich Hauptlinien der kultur- und siedlungsgeschichtlichen Entwicklung nachzeichnen lassen. Dabei wird deutlich: Das Phänomen der Zweisprachigkeit ist weder ausschließlich ein Merkmal dichtbesiedelter Areale noch eine Besonderheit unserer modernen und vernetzten Welt. Noch heute lassen sich im Wortschatz des Finnischen Spuren uralter multikultureller Familienverhältnisse nachweisen sowie früher Technologietransfer. So stammt die Bezeichnung für die Steinaxt (heute Hammer) aus dem indoiranischen Sprachraum und jene für die Bronzeaxt aus den baltischen Sprachen. Das Eisen haben die Finnen noch vor den alten Germanen zu nutzen gelernt.

An der Universität Greifswald wird seit eineinhalb Jahrzehnten intensiv Lehnwortforschung betrieben und findet dafür internationale Anerkennung. Standardwerke zu den urgermanisch-finnischen und zu den niederdeutsch-finnischen Sprachkontakten haben Greifswalder Fennistinnen und Fennisten vorgelegt.

Die circa einstündige Vorlesung eröffnet im Wintersemester 2016/2017 die Veranstaltungsreihe Familien-Universität. Der Eintritt ist frei.